Wie kann die Finanzierung der Krankenhäuser besser geregelt werden? Um diese Frage geht es heute bei der Konferenz der Gesundheitsminister in Plön. Klar ist: Die Kliniken brauchen dringend mehr Geld. Ansonsten droht nicht nur vielen die Insolvenz, sondern auch ein Verlust bei der Qualität.
Von Stephan Trinius, für tagesschau.de
Die deutschen Kliniken sind krank. Nach Berechnungen des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) in Essen wiesen im Jahr 2006 rund 20 Prozent aller Krankenhäuser eine erhöhte Insolvenzgefahr auf. Zwar liegen für 2008 noch keine Zahlen vor, die Forscher gehen aber davon aus, dass sich die Lage weiter verschlechtert hat und nun etwa ein Drittel aller Krankenhäuser bedroht ist.
Kosten laufen davon
Etliche Faktoren der letzten Jahre haben die eigentlich gute Finanzlage der Kliniken vor 2006 negativ beeinflusst, so Boris Augurzky vom RWI gegenüber tagesschau.de. So kämpfen die Krankenhäuser nicht nur mit gestiegenen Energiekosten, sondern müssen auch die Erhöhung der Mehrwertsteuer um drei Prozent vom Jahr 2007 allein tragen.
Auch der 2007 eingeführte Sanierungsbeitrag belastet die Kliniken. Um die Krankenkassen zu entschulden, müssen die Kliniken von jeder Rechnung an die Kassen 0,5 Prozent abziehen. Die hohen Lohnabschlüsse der letzten Jahre bei Ärzten und Pflegepersonal von knapp acht Prozent haben ebenfalls bei den Häusern die Kosten explodieren lassen. Nach Angaben der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) fehlen den Kliniken in Deutschland 3,1 Milliarden Euro, um die Personalkosten in den Jahren 2008 und 2009 decken zu können.
Länder haben Investitionen drastisch gesenkt
Zudem haben die Bundesländer den Geldhahn zugedreht. Seit 1972 werden sämtliche Kliniken in Deutschland durch eine duale Finanzierung betrieben, egal ob es sich dabei um ein Krankenhaus in kommunaler, kirchlicher oder privater Trägerschaft handelt. Während die gesetzlichen Krankenkassen die Betriebskosten übernehmen, sind die Länder für die Investitionskosten zuständig, etwa den Neubau eines OP oder eines ganzen Krankenhauses.
Diese Investitionen haben die Länder in den letzten Jahren aber nur noch unzureichend getätigt. Um rund 44 Prozent haben sie im Jahr 2006 laut Deutscher Krankenhausgesellschaft (DKG) die Investitionsausgaben für Krankenhäuser im Vergleich zu 1991 zurückgefahren. Dadurch sei bei den Kliniken ein Investitionsstau von rund 50 Milliarden Euro entstanden. Sowohl bauliche als auch medizinisch dringend notwenige Maßnahmen können nur noch mit Mühe realisiert werden.
Die Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz und schleswig-holsteinische Gesundheitsministerin, Gitta Trauernicht, sieht das naturgemäß etwas anders. Man habe in die Krankenhäuser investiert, aber nur da, wo es erforderlich sei. "Wir investieren nicht mehr in Küchen oder Betten, sondern wir investieren darin, dass die Prozessabläufe in den Krankenhäusern so sind, dass sie mit den vorhandenen Budgets tatsächlich auskommen können", so Trauernicht.
Mehr Kosten, aber kaum mehr Einnahmen
Aber genau das gelingt immer weniger Krankenhäusern. Die Kliniken seien auch überhaupt nicht in der Lage, die steigenden Kosten durch entsprechend höhere Erlöse gegenzufinanzieren, erklärt Augurzky vom RWI gegenüber tagesschau.de. Denn während die Häuser immer mehr ausgeben müssen, sind deren Erlöse gedeckelt. So dürfen die Ausgaben der Krankenhäuser laut Vergütungsanpassung in diesem Jahr lediglich um 0,64 Prozent steigen.
"Durch die Deckelung des Budgets entsteht natürlich eine enorme Finanzierungslücke", so Augurzky. Ursprünglich eingeführt wurde die Deckelung, um die Krankenhäuser zu Einsparungen, Optimierung der Abläufe und mehr Effizienz zu zwingen. "Dies war zunächst für die Krankenhäuser auch sehr heilsam", sagt Augurzky, "nun aber laufen die Kosten den Erlösen einfach davon."
Weitere Einsparungen gehen auf Kosten der Qualität
Weitere Einsparungen sind für viele Krankenhäuser bereits heute nicht mehr ohne Qualitätsverlust möglich. Selbst Krankenhäuser, die schon lange auf Effizienz achten und Reserven gebildet haben, stehen mittlerweile mit dem Rücken zur Wand. So arbeiteten konfessionelle Kliniken traditionell sehr wirtschaftlich, da hinter ihnen keine Kommune stehe und mögliche Defizite ausgleiche, wie Alexander Grafe, Geschäftsführer des Berliner Krankenhauses Sankt-Hedwig, gegenüber tagesschau.de erklärt. Zwar habe sein Haus noch keine wirtschaftlichen Probleme, doch die Luft werde dünner. Durch die seit Jahren anhaltenden Kostensteigerungen seien die wirtschaftlichen Reserven seiner Klinik ausgeschöpft.
Einsparungen seien nur noch über eine weitere Ausdünnung des Personals möglich. Aber dies sei bereits bis an einen gerade noch vertretbaren Grad geschehen. Sollten weitere Stellen gestrichen werden oder qualifizierte Arbeitskräfte durch Hilfskräfte ersetzt werden, werde dies auch Auswirkungen auf die Intensität der Betreuung haben. "Es geht nicht darum, ob ein Verband richtig angelegt werden kann. Aber wenn wir keine Zeit mehr haben, den Patienten auch mal zuzuhören, geht etwas verloren, was wir in Deutschland bislang als Teil einer notwendigen ganzheitlichen Betreuung betrachtet haben", so Grafe.
Welches Gegenmittel ist das richtige?
Aber wie kann die Politik den Kliniken in ihrer Finanznot helfen? Das wichtigste Gegenmittel wäre mehr Geld. Da die Krankenkassen weitestgehend saniert seien und zum Teil Gewinne machten, fordert das RWI die Abschaffung des Sanierungsbeitrags. Außerdem müsste die Festlegung, wie viel Mehrausgaben den Kliniken gestattet werden, deutlich schneller geschehen. Die Kliniken dürfen immer nur so viel mehr ausgeben, wie die Einnahmen der Kassen steigen. Allerdings geschieht die Anpassung mit einer Verzögerung von zwei Jahren. Und so spüren die Krankenhäuser noch heute die konjunkturell viel schwächeren Jahre, während die Kassen schon wieder mehr Geld einnehmen.
Das RWI unterstützt auch die ursprüngliche Forderung von Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt, das duale Finanzierungssystem komplett abzuschaffen. Es gebe verschiedene praktikable Vorschläge für eine monistische Finanzierung, so Augurzky. Aber dagegen regt sich in den Bundesländern Widerstand. Die Länder fürchten um ihre Planungshoheit über die Krankenhäuser.